Die Ökonomie steht, so der marxistische Philosoph Georg Lukács, im Zentrum der Philosophie Hegels. Für die damalige Zeit, den Anfang des 19. Jahrhunderts, stellen seine ökonomischen Betrachtungen eine insbesondere für einen Deutschen „außerordentliche Höhe der Einsicht in die Bewegung des Kapitalismus“ dar. Trotzdem und zugleich präsentiert Hegel die Ökonomie nur in einer untergeordneten Rolle, stets nur eingehegt in den Staat und nicht als das weitumspannende kapitalistische System, als das Marx sie später in seinem Kapital analysiert hatte.
Lukács untersucht diese widersprüchliche Stellung der Ökonomie in seiner großangelegten Studie Der junge Hegel. Über die Beziehungen von Dialektik und Ökonomie aus dem Jahr 1948. Er verfolgt darin die Entwicklung des jungen Hegel von 1793 bis 1807. Im Kapitel „Die Ökonomie der Jenaer Periode“ fasst er seine Analyse bezüglich er Ökonomie, mit einigen Ausblicken auf den späteren Hegel, zusammen.
Hegel betrachtet „die Sphäre der menschlichen Arbeit, die Sphäre der ökonomischen Tätigkeit als die Grundlage, als den Anfang der praktischen Philosophie“. Es zeichnet ihn gegenüber den anderen deutschen Philosophen seiner Zeit in geradezu enormer Weise aus, dass er die nationalökonomischen Schriften aus England (Adam Smith, Adam Ferguson) gelesen und in seinem Denken verarbeitet hatte.
Andererseits hat Hegel „keine besondere Ökonomie als abgeschlossenen Teil seines philosophischen Systems geschrieben, seine ökonomischen Anschauungen bilden stets nur einen Teil seiner Gesellschaftsphilosophie.“ Hierzu ist heute oft zu hören, dass Hegel noch keine Analyse des Kapitalismus – wie später Marx – hatte schreiben können, weil dieser in Deutschland noch nicht entwickelt war. Diesem Einwand kann mit Lukács begegnet werden. Tatsächlich hatte sich in Deutschland um 1800 bereits ein entwickelter Manufaktur- und Handels-Kapitalismus ausgebreitet, und diesem entsprechend erblickt Hegel, so Lukács, „bei der realen Beschreibung der ökonomischen Zustände die Zentralfigur der kapitalistischen Entwicklung im Handel, im Kaufmann.“ Richtig wäre, dass der industrielle Kapitalismus der Großen Maschinerie und des Fabriksystems in Deutschland noch nicht entwickelt war. Jedoch war auch dieser in England um 1800 bereits voll im Gang. Über die englischen Nationalökonomen, die Hegel ja rezipierte, war ihm dies auch bekannt.
Warum wir von Hegel kein Kapital haben, hat andere, ideologische Gründe. Hegel konzipiert die Ökonomie niemals als eigenständigen Teil seines Systems, sondern immer nur eingefasst innerhalb von anderen Systemteilen – also auch eingehegt und stabilisiert, wie Marx in der Kritik des Hegelschen Staatsrechts zeigt – insbesondere durch den Staat und die Sittlichkeit.
In seiner Rechtsphilosophie stellt Hegel im Abschnitt zum „Abstrakten Recht“ und in dem zur „bürgerlichen Gesellschaft“ ökonomische Formen dar. Diese bleiben dabei aber immer in den rechts- und staatstheoretischen Rahmen der Rechtsphilosophie eingespannt. Lukács wirft ihm entsprechend die „Vermischung der ökonomischen Kategorien mit den juristischen“ vor.
Zwar fasst Hegel die kapitalistische Ökonomie als sich eigengesetzlich bewegendes Ganzes, stellt es aber nicht als solches dar, sondern immer eingefasst in den Geist, vor allem die Sittlichkeit des Staates: „So wird in Hegels Augen die kapitalistische Gesellschaft zu einem objektiven, sich selbst eigengesetzlich bewegenden Ganzen. [..] Hegel sieht also, wie Smith, die kapitalistische Ökonomie als ein sich aus eigener Dynamik bewegendes System, das seine Störungen selbst aufhebt.“
Er hat daher die Illusion, „daß die Tätigkeit des Staates, der Regierung, die Gegensätze von Reichtum und Armut stellenweise mildern könnte, vor allem aber, daß sie imstande wäre, das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft trotz dieser Gegensätze ‚gesund‘ zu erhalten.“
Zwar beschreibt Hegel den Gegensatz zwischen arm und reich in der modernen Gesellschaft nicht nur als bloße Tatsache, sondern zeigt auch ihre Notwendigkeit aus der Entwicklung dieser Gesellschaft auf (Fabriken und Entwicklung der Armut). Aber Hegel hat, so Lukács, keine Erkenntnis des Klassenantagonismus, sondern fasst „die bürgerliche Gesellschaft als etwas Einheitliches“ auf.
Zwar sah er die Widersprüche und die zentrifugalen Kräfte der kapitalistischen Ökonomie, die die moderne Gesellschaft insgesamt zu sprengen drohten. „Hegel schließt […] nicht die Augen vor den zerstörenden Wirkungen, die die kapitalistische Arbeitsteilung, die Entwicklung der Maschinerie in der menschlichen Arbeit, im menschlichen Leben notwendig hervorbringen. Er sieht im Gegenteil vollständig klar den notwendigen dialektischen Zusammenhang dieser Seiten der kapitalistischen Arbeitsteilung mit ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschrittlichkeit.“ Aber eben darum bettet Hegel die bürgerliche Gesellschaft zwischen Familie und Staat ein. Genau diesen Punkt hat Marx in seiner „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“ kritisiert, dass Hegel eine Versöhnung der kapitalistischen Ökonomie im Staat formuliert.
Hegel stellt die Kapitalverwertung also nicht als autonome Logik dar, die die anderen Gesellschaftsbereichen beherrscht und durchdringt; er hat keinen Begriff des Kapitals als eines selbständigen Wesens. Diese Rolle scheint vielmehr – hier wäre Adornos Hegel-Interpretation miteinzubeziehen – die Logik bzw. der alles Konkrete durchherrschende Begriff zu spielen.
Eine dem Kapital auch nur annährend vergleichbare Analyse der komplexen Organisation des Kapitals (sei es des Klassenantagonismus, der Formen des Industriekapitals oder auch verschlungenen Formen der Kapitalzirkulation) sucht man vergebens.